Um die Balance zwischen ökonomischen Aspekten und medizinisch Sinnvollem herzustellen, ist zunächst zu erkennen, dass die Wirtschaftlichkeit eines Klinikums nicht rein von besonders profitablen Behandlungen abhängig ist, sondern dass die vermeintlich weniger gewinnbringenden Fälle eine wichtige Rolle spielen.
Üblicherweise betrachtet man diese Fälle mit dem Ziel weniger nutzenstiftende Prozesse (in diesem Zusammenhang die Diagnostik) durch Vermeidung von redundanten oder medizinisch nicht-indizierter Untersuchungen zu reduzieren. Dies kann im wirtschaftlichen Kontext sinnvoll sein, doch der Effekt ist begrenzt und das Potenzial durch den hohen Automatisierungsgrad schnell ausgeschöpft. Viel interessanter – jedoch gleichzeitig komplexer – ist die Optimierung der klinischen Prozesse mit dem Ziel einer früheren und gezielteren Diagnosestellung und darauffolgenden Ausrichtung der Therapie. Dadurch kann nicht nur ein effektiverer Ressourceneinsatz ermöglicht und primäre Kosten eingespart werden (z.B. durch weniger Doppeltestungen), sondern insbesondere sekundäre Effekte (z.B. durch vermeidbare Komplikationen, Verkürzung der Verweildauer) erzielt sowie die Qualität der Patientenversorgung verbessert werden.
Potenzial der Datenanalyse für die Versorgung
Die Verbindung von Prozessmanagement, Medizin und BWL ermöglicht es, innovative Lösungen zu entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Krankenhäusern zugeschnitten sind. Die Nutzung von existierenden Datensätzen, insbesondere aus dem Laborinformationssystem (LIS) und § 21 KHEntgG-Datensätze, bietet enorme Möglichkeiten zur Prozessoptimierung. Durch die retrospektive Analyse vorhandener Daten können Potenziale identifiziert und Muster erkannt werden, um diagnostische Prozesse zukünftig zu optimieren und die Patientenversorgung zu verbessern. Beispielsweise können anhand der Leistungsdaten der Krankenhausfälle zugeordnet werden, welche Haupt- und Nebendiagnosen codiert wurden und unter Abgleich der Diagnosedaten aus dem Labor herausgefunden werden, ob eine Diagnosestellung bereits zu einem früheren Zeitpunkt denkbar gewesen wäre und so möglicherweise die Komplikationsrate oder Verweildauer reduziert hätte werden können. Moderne Technologien wie die Real Time-Datenanalyse, Data Lakes und Process Mining ermöglichen es uns, die neu etablierten Prozesse in Echtzeit zu überwachen und ggf. anzupassen.
Prozessintegration und End-to-End-Optimierung des Diagnoseprozesses
Bei der Implementierung der Lösungen ist es entscheidend, dass diese auf realen Use Cases und Fragestellungen basieren und vor allem nahtlos in den klinischen Workflow (zwischen Labor und Station oder Notaufnahme) eingebunden werden.
Durch eingebettete Regeln bei der digitalen Leistungsanforderung können beispielsweise nicht nutzenstiftende oder redundante Testungen basierend auf der individuellen Patientensituation und Vorwerten reduziert werden, sodass sowohl Kosten als auch Zeit eingespart werden. Gleichzeitig sollte die Lösung ermöglichen, dass notwendige Laboruntersuchungen präzise und effektiv angefordert und durchgeführt werden. Vorschläge zur initialen Anforderung (z.B. auch basierend auf komplexen Symptomen), Empfehlungen zur Nachforderung und auch proaktive Warnungen und Präanalytikhinweise entlasten sowohl Einsender als auch Mitarbeitende im Labor.
Hinzu kommt die nutzerfreundliche Bereitstellung von wichtigen Laborergebnissen in personalisierbaren Übersichten. Während aktuell eingesetzte Systeme primär Statusmeldungen (z.B. zum Vorliegen neuer Laborwerte) geben, ist es deutlich zielführender, die konkreten Erkenntnisse aus den Daten abzuleiten und inhaltliche Hinweise und Handlungsempfehlungen im klinischen Prozess einzubinden.
IT-Infrastruktur und Digitalisierung als Grundbaustein
Zur Steigerung der Effizienz in der Patientenversorgung müssen nicht nur innerklinische Prozesse optimiert werden, sondern auch die Vernetzung zwischen den Sektoren auf Prozess- und Datenebene. Hier kommt die IT-Infrastruktur und Digitalisierung als grundlegender Baustein ins Spiel.
Die Digitalisierung der Prozesse und die Verfügbarkeit von Daten sind nicht nur notwendige Instrumente für genannte Analysen und Entscheidungsunterstützungssysteme, sondern bieten oft auch selbst Chancen zur Optimierung. Eine effiziente IT-Infrastruktur kann die Wartungskosten senken und die Kosten für Schnittstellen reduzieren. Zum Beispiel ermöglicht der Einsatz moderner FHIR-Stores nicht nur eine zukunftsfähige Vorbereitung auf die digitale Patientenakte, sondern bietet auch sichere und effiziente Szenarien für die datenübergreifende Zusammenarbeit. Ein weiterer Vorteil ist der optimale Datenschutz, der durch die Separierung der Daten im FHIR-Store gewährleistet wird. Diese Vernetzung erleichtert die Kommunikation und den Datenaustausch zwischen verschiedenen Einrichtungen. Darüber hinaus finden auch vermehrt Open Source-Lösungen Anwendung im Gesundheitswesen, die die Effizienz steigern und die Flexibilität fördern (Lesen Sie mehr dazu in unserem Blogbeitrag zu Datenmanagement und -sicherheit mit Open Source.[2]
Zukunft der Diagnostik: Ein ganzheitlicher Ansatz
Die Optimierung von klinischen Prozessen in der Diagnosefindung mittels Labordiagnostik ist mehr als nur eine technische Herausforderung. Es ist eine Gelegenheit, die Medizin zu revolutionieren und die Patientenversorgung zu verbessern. Durch die Integration verschiedener Disziplinen und Technologien, kritische Analyse und die Entwicklung konkreter, individualisierter Lösungen können wir diesen Wandel gestalten und die Zukunft der Medizin maßgeblich prägen.
Referenzen: