Nachforderung und Reflextestung

Nachträgliche Laboranforderungen sind nicht nur zeit- und kostenintensiv, sondern unterbrechen den klinischen Alltag und führen zu Verzögerungen. medicalvalues unterstützt diesen Prozess und sorgt für einen besseren Arbeitsablauf.

Einleitung

Der Arzt hat vernachlässigt alle notwendigen Labortests anzufordern, es soll das frühe Anschlagen einer Therapie überprüft werden oder dem Patienten soll ganz simpel eine zusätzliche Venenpunktion erspart werden. Dies sind die typischen Beweggründe eine Nachforderung an das Labor zu erteilen [1].

Für das Gesundheitssystem ist dies eine hohe Belastung: 3.3% des gesamten Testvolumens entfallen auf Nachforderungen. Im Durchschnitt werden 1,99 Tests pro Nachforderung anmeldet und damit 9,15 Tests pro Patient [2].

Nutzen von Nachforderungen

Die Art der geforderten Laboranalyse ist entscheidend dafür, ob eine Untersuchung noch medizinisch valide durchgeführt werden kann Ganz entscheidend dafür ist die Lagerungszeit der Proben, die sich zwischen den Laboren mit 1-7 Tagen erheblich unterscheidet. Während dieser Zeitdauer werden die Proben bei Temperaturen zwischen 2°C und 8°C [3].

Bei täglich tausenden anfallenden Proben sind diese kosten- und zeitintensiv. Dazu kommt, dass für jegliche Nachforderungen eine erneute Interaktion zwischen Einsender und Laborarzt stattfinden muss [4]. Dies unterbricht den klinischen Ablauf und erzeugt Verzögerungen Sowohl Patienten als auch Praktizierende kennen den ernüchternden Satz: „Wir müssen noch auf die Laborergebnisse warten.“

Sind Nachforderungen oft überflüssig?

Den Sinn und Nutzen einer Laboranforderung zu bewerten, ist nicht trivial, da die Beweggründe einer Nachforderung selten dokumentiert werden und der Erkenntnisgewinn somit nur subjektiv durch den Einsender beurteilt werden kann.

Zur Beantwortung der gestellten Frage hilft es die Charakteristika der Nachforderungen zu beleuchten. Eine Studie aus den USA hat sämtliche nachgeforderte Test einer Woche im Massachusetts General Hospital untersucht. Die Studie ergab, dass die häufigste Nachfrage nach hepatischen und renalen Parametern, Elektrolyte und Glukose und enzymalen Markern bestand. Diese erfolgten nicht zwangsläufig nach den Bestimmungen des Hauses. Bei rund 65% der Marker für ein akutes Koronarsyndrom wurden die krankenhausinternen Protokolle initial nicht eingehalten, was Nachforderungen unerlässlich machte.

Außerdem geht aus der Studie hervor, dass ein weiterer vermeidbarer Grund für Nachforderungen unzureichende Kommunikation ist. 5% sind demnach so entstanden.

Auf der anderen Seite haben 52,5 % der zusätzlich angeforderten Tests abnormale Ergebnisse, was auf den ersten Blick für die Relevanz der Nachforderungen spricht. Dabei darf jedoch nicht vernachlässigt werden, dass initiale Test oft zum Ausschluss von Diagnosen dienen und negative Ergebnisse erwartet werden [5].

Lösungen

Aktuelle Studien zeigen, dass fast 90% der Nachforderungen in den ersten 8 Stunden nach Probenabnahme erfolgen. Eine Lagerungszeit von bis zu 7 Tagen erscheint demnach wenig sinnvoll und zeigt auf, welches Potenzial an Resourceneinsparung dort vorliegt. Dementsprechend kann eine gute Kenntnis über die sogenannte Test-Shelf-Life, welches die individuelle Zeitdauer in der ein altes Ergebnis noch gültig ist beschreibt, überflüssige Nachforderungen begrenzen [6].

Die Erlangung dieser Fähigkeit kann durch Schulungen erfolgen oder durch elektronische Gate-Keeping-Systems. In aktuelle Literatur wird die Sinnhaftigkeit eines elektronischen Warnsystems für entbehrliche Tests dargelegt [7].

Bei den vorgestellten Möglichkeiten bleibt die Entscheidung über Sinn und Notwendigkeit einer Nachtestung letztendlich weiterhin alleinig bei der subjektiven Einschätzung des Einsenders, sodass ein hohes Maß an Möglichkeiten zur Resourceneinsparungen vorherrscht. Hier setzt medicalvalues an: Für die Beurteilung der Relevanz einer Testung gibt es eine eigene Request Engine, deren Output den potenziellen Impact eines Tests darstellt. Zusätzlich wird eine Liste ausgegeben, die die zum Output führende Annahmen in ihrer Bedeutung auflistet. Dazu zählen die Wertigkeit für die Diagnostik bei dem jeweiligen Patient, die Kosten jener Laboranalyse, die Dauer und der Materialaufwand der Auswertung etc. Somit ist das System von medicalvalues keine Blackbox, deren Ausgabe nicht nachzuvollziehen ist, sondern stellt es für Einsender und Laborarzt vollkommen transparent dar, welche Kriterien für die Output gesorgt haben. Im klinischen Alltag werden häufig mehrere Tests pro Anforderung gewünscht; sogar bei Nachforderungen sind es zwei. medicalvalues berücksichtigt dies bei der Bewertung der Kosten und des Aufwands, denn mehrere Test innerhalb eine Anforderung sind günstiger, als eine erneute Anforderung zu stellen.

Resourceneinsparung nur bei Nachforderungen?

Nicht nur bei Nachforderungen besteht großes Potential zur Resorceneinsparung. 2015 wurde eine Studie am Salzburger Universitätsklinikum zur Notwendigkeit von Laboranforderungen durchgeführt. Um diese zu quantifizieren wurde berechnet, wie viele der Tests bei Verlust des Ergebnisses erneut angefordert wurden. Das Resultat: Mehr als 60% der Tests wurden nicht erneut gewünscht [8]. Bei dem viel größeren Testvolumen an Erstanforderungen kann demnach bereits bei der Erstanforderung effizienter gehandelt werden.

Reflextestungen

Reflextestungen beschreiben in der Laboranalyse eine sinnvolle Stufendiagnostik. Beispielsweise soll die Schilddrüsenfunktion überprüft werden: Dazu wird zuerst der TSH ermittelt. Ist dieser pathologisch, wird zuerst fT4 und bei erneut unregelmäßigem Ergebnis fT3 ausgewertet. Was sich effizient anhört, führt beim Einsender und Laborarzt bei pathologischen Screening zu einem höheren Aufwand. Für die speziellere Diagnostik muss nämlich eine erneute Interaktion zwischen Einsender und Laborarzt erfolgen. Auch hier setzt medicalvalues an: Ist ein Wert zu Beginn nicht regelrecht, kann das System eine automatische weitere Stufendiagnostik veranlassen.

Die Grafik veranschaulicht das Prinzip anhand zweier realer Patientenfälle. Das diagnostische Vorgehen in dem beschriebene Fall wird verglichen mit dem Empfehlungen der deutschen Leitlinien. Diese sind manchmal sehr komplex und schwer in den klinischen Alltag zu integrieren. Mit medicalvalues, sind diese daher direkt das System integriert, damit der Arzt über die weitere Diagnostik informiert wird. Dies macht auch den klinischen Alltag berechenbarer für alle anderen beteiligten Personen. Unter Umständen kann die Diagnose des Patienten also schneller und kostengünstiger gestellt werden. Sie bietet jedoch die Möglichkeit, von den Leitlinien abzuweichen, wenn der individuelle Patientenfall dies erfordert.

Eine 40-jährige Frau mit Ikterus und Müdigkeit

Im ersten Fall stellt sich eine 40-jährige Frau mit Ikterus und Müdigkeit vor, was auf eine Leberbeteiligung hindeutet. Anschließend wird in der Regel ein Leberfunktionstest durchgeführt. Allerdings weicht der Umfang in diesem Fall von den Leitlinien ab, und auch die weitere Diagnostik ist aufwändiger.

Junges Mädchen mit typischen Cushing Anzeichen

Im zweiten Fall präsentiert sich ein junges Mädchen mit typischen Cushing Anzeichen. Die weitere Diagnose ist komplex, daher sind die Leitlinien eine wichtige Hilfe.

Ausblick: Integrative und Patientenbezogene Diagnostik

Die moderne Medizin wird komplexer. Ärzte immer mehr verschiedener Fachdisziplinen tragen ihren Teil zur umfassenden Diagnostik bei. Auf der anderen Seite stellt diese Entwicklung jedoch auch einen hohen Anspruch an den Wissenstransfer untereinander. Die oben beschriebene Request Engine von medicalvalues beschränkt sich deshalb nicht nur auf die Labormedizin, sondern integriert auch andere die diagnostischen Tools anderer Fachbereiche.

Die oben beschriebene Request Engine von medicalvalues beschränkt sich deshalb nicht nur auf die Labormedizin, sondern integriert auch andere die diagnostischen Tools anderer Fachbereiche. Bei einer Liquorpunktion ist dieses beispielsweise sehr hoch, sodass eine strenge Indikation vorliegen muss. Auch dies wird von medicalvalues berücksichtigt.

Literaturverzeichnis:

[1]: https://www1.health.gov.au/

[2]: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/

[3]: https://www.aerztezeitung.de/

[4]: https://medicalvalues.de/

[5]: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/

[6]: https://www.sciencedirect.com/

[7]: https://www.sciencedirect.com/

[8]: https://www.sciencedirect.com/

Andere Themen

Über Ozeane und Grenzen: Gezielte Unterstützung für medizinische Einrichtungen

Der Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen ist ein grundlegendes Menschenrecht, doch Millionen von Menschen in Afrika haben immer noch keinen Zugang zu diesen lebenswichtigen Ressourcen. Besonders schlimm ist die Situation in ländlichen Gebieten, wo die Menschen oft weite Wege zurücklegen müssen, um Wasser aus verunreinigten Quellen zu holen. Der Mangel an sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen führt zur Ausbreitung von durch Wasser übertragenen Krankheiten, die vor allem für kleine Kinder tödlich sein können.

Weiterlesen »

(Un-)strukturierte Daten in elektronischen Patientenakten: Vom digitalen Scan zur medizinischen Informationsquelle

Durch die Einführung des verpflichtenden E-Rezeptes Anfang diesen Jahres und der bevorstehenden verpflichtenden elektronischen Patientenakte ab 2025 scheinen Papierakten im Gesundheitssystem längst der Vergangenheit anzugehören. Doch trotz der fortschreitenden Digitalisierung sieht die Realität anders aus: Wenig bis gar nicht systematisierte Papierdokumente stellen Ärzt:innen auch in diesem Jahr weiterhin vor große Herausforderungen. Umso wichtiger scheint es, genau diese Dokumente mit essenziellen Informationen systematisch zu digitalisieren.

Weiterlesen »