Einleitung
Labormedizinische Analysen spielen eine bedeutende Rolle für die medizinische Diagnostik. Einer US-amerikanischen Studie zufolge werden bis zu 70% der medizinischen Entscheidungen in einem Krankenhaus durch Labordiagnostik beeinflusst, darunter die Aufnahme, Medikation und Entlassung eines Patienten [1].
Ähnliche Zahlen gibt der Berufsverband Deutscher Laborärzte an: so würden etwa zwei Drittel aller ärztlichen Diagnosen auf labormedizinischen Untersuchungen fußen oder diese bestätigen, über den gesamten stationären wie ambulanten Sektor hinweg [2].
Aber wie läuft der Informationsaustausch zwischen den medizinischen Laboren auf der einen Seite, und den anfordernden Ärzten (z.B. Hausärzten) auf der anderen Seite ab? Welche Hürden erschweren, dass die Zusammenarbeit dieser Disziplinen effizient zum Wohle des Patienten abläuft? Auf diese Fragen soll dieser Blogbeitrag eingehen und aufzeigen, wie die medicalvalues-Software ihren Beitrag zur Harmonisierung der Kommunikation zwischen Labor und Arztpraxis bzw. Klinik leisten kann.
Kommunikationswege zwischen Einsender und Laborarzt
Die Kommunikation zwischen dem einsendenden Arzt, der die Indikation für eine Laboruntersuchung stellt, und dem Labor, welches die Analysen durchführt, hat sich den letzten Jahren in Deutschland geändert.
Seit 2017 ist es in Deutschland möglich, Labor-Überweisungen und –Anforderungsscheine auf komplett digitalem Wege an das jeweilige Labor zu übermitteln. Die damit einhergehende Papierersparnis bei 94 Mio. Anforderungsscheine pro Jahr und die damit verbundene Zeitersparnis liegen auf der Hand. Die Anforderung von Laboranalysen erfolgt per Mausklick über die Praxissoftware, die mit einem Order-Entry-Modul des Labors verknüpft ist [3].
Nachdem das Labor seine Analysen beendet hat, können die Ergebnisse prinzipiell auf verschiedenem Wege an die Arztpraxis zurückgesendet werden.
Die meisten Labore bieten eine Rückmeldung in Papierform, telefonisch, via Fax oder auf elektronischem Wege mittels LDT-Standard an (LDT = Labordatentransfer). Letztere Variante ermöglicht es, dass die Laborergebnisse direkt im System dem jeweiligen Patienten zugeordnet werden. Hierbei ist zu betonen, dass insbesondere die Kommunikationsform Fax nicht den Anforderungen der europäischen Datenschutzgrundverordnung genügt, was die Übermittlung personenbezogener Daten betrifft, und hinsichtlich des Sicherheitsniveaus mit einer unverschlüsselten E-Mail zu vergleichen ist [4]. Aus diesem Grund sollte das Fax für die Befundübermittlung nicht mehr zum Einsatz kommen, auch wenn das in der klinischen Praxis oftmals geschieht.
Labormedizinische Tests erfordern die Interpretation durch einen Laborarzt, insbesondere im Hinblick auf Plausibilitätsprüfung. Diese Aufgabe beschränkt sich ausdrücklich nicht darauf, lediglich die Abweichung eines bestimmten Laborparameters von einem Referenzbereich festzustellen. Insbesondere was die Auswahl des richtigen Tests mit entsprechenden präanalytischen Überlegungen angeht, sind Laborärzte kompetente Ansprechpartner. Als Beispiele seien hier die Frage, ob der Patient bei der Blutabnahme nüchtern sein muss, oder ob die Einnahme eines Medikaments Untersuchungsergebnisse verfälscht, genannt. Stattdessen ist, insbesondere was komplizierte und seltene Labortests angeht, der Laborarzt Ansprechpartner für den anfordernden Arzt, auch was die Interpretation des Ergebnisses und Limitationen des Testverfahrens anbelangt [5]. Insbesondere wegen der zunehmenden Komplexität der Patientenfälle (die auch von den Hausärzten im ambulanten Sektor festgestellt wird [6]), ist davon auszugehen, dass die Bedeutung von Laborärzten zunehmen wird, um Empfehlungen für Laborparameter zu geben und bei der Interpretation komplizierter Testergebnisse zu unterstützen [7].
Herausforderungen der Kommunikation zwischen Labor und Arzt
Damit Laborärzte diese Rolle wahrnehmen können, ist eine effiziente Kommunikationsmöglichkeit zwischen ihnen und den einsendenden Ärzten zwingend notwendig. Doch genau an dieser Möglichkeit zum unkomplizierten Austausch scheint es oftmals zu hapern. Eine US-amerikanische Studie, in der Hausärzte zu ihrem Kommunikationsverhalten mit Laboren befragt wurden, zeigte, dass die Unterstützung durch Laborärzte zu selten genutzt wird [8]. Selbst wenn anfordernde Ärzte unsicher sind, welche Labortests anzufordern sind und wie Ergebnisse zu interpretieren sind, suchen viele von ihnen niemals den Kontakt zum jeweiligen Labor. Als Gründe dafür wurde oftmals angegeben, dass die Kontaktaufnahme zum Labor als zeitraubend und umständlich wahrgenommen wird. Findet Kommunikation statt, so wird vor allem die Hilfestellung bei technischen Fragen („wie wähle ich welche Option in der Software“) als hilfreich wahrgenommen; bei der Unterstützung bei der medizinischen Auswahl von Tests oder Interpretation der Ergebnisse mangelt es demgegenüber.
Zu beachten ist außerdem, dass hoher Zeitdruck eine der zentralen Ursachen für Berufsunzufriedenheit bei deutschen Hausärzten darstellt [9]. Somit ist eine nur mühsam mögliche Kommunikation zwischen Haus- und Laborärzten der Berufszufriedenheit, und damit einer optimalen Patientenversorgung, abträglich.
Der medicalvalues-Lösungsansatz zur Überwindung der Kommunikationshürde
Um die Labors stärker in die klinische Entscheidungsfindung einzubinden, und letztendlich auch die Versorgungsqualität zu optimieren, scheint eine unkomplizierte Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zentral zu sein. Dafür sollte der bereits eingeschlagene Weg der Digitalisierung der Labordaten und elektronischen Übermittlung der Befunde sowie Kontaktaufnahme bei Rückfragen konsequent weitergegangen werden.
Wir von medicalvalues stellen uns den Prozess wie folgt vor: Anfordernde Ärzte sollen zukünftig über die Order-Entry-Software, über die sie ihre Laboranforderungen stellen, leicht mit dem Labor in Kontakt treten können.
Die Laborwerte kommen mitsamt wahrscheinlichsten Differenzialdiagnosen, die von medicalvalues generiert worden sind, über die Order-Entry-Software zum einsendenden Arzt zurück. Bereits durch diese Analyse der Laborparameter durch medicalvalues in Zusammenspiel mit klinischen und Bildgebungsdaten basierend auf dem Knowledge-Graph-System, können dem Einsender wertvolle Informationen übermittelt werden und der diagnostische Prozess zielgenauer und schneller ablaufen. Durch die Validierung durch den Laborarzt wird die Qualität der diagnostischen Informationen sichergestellt.
Schematische Darstellung der Kommunikation zwischen Einsender und Labor, unterstützt durch die Diagnosevorschläge von medicalvalues und eine unkomplizierte Chatfunktion.
Sollte der Einsender weiteren labormedizinischen Beratungsbedarf haben, kann er über eine Chatfunktion mit dem Laborpersonal in Kontakt treten. Dank interaktiven Befunddaten können die fraglichen Parameter visuell hervorgehoben werden, was den Austausch und das beiderseitige Verständnis erleichtert. Dank interaktiven Befunddaten können die fraglichen Parameter visuell hervorgehoben werden, was den Austausch und das beiderseitige Verständnis erleichtert. Die Kommunikation erfolgt außerdem über verschlüsselte Protokolle und ist GDPR-konform.
Dem Laborpersonal werden die Frage des Einsenders und die Parameter, um die es geht, in einem Fenster angezeigt, sodass nicht etwa erst die Akte des betreffenden Patienten aufgerufen werden muss. Es besteht die Möglichkeit für das Laborpersonal, Rückfragen an den Einsender zu stellen. Sollte ein Anliegen so komplex sein, dass etwa ein Laborassistenzarzt es nicht beantworten kann, kann der Fall an einen Vorgesetzten übertragen werden, der auf die bisherige Kommunikation zugreifen kann, und somit nahtlos in die Konversation einsteigen kann.
Ziel von Medicalvalues ist es außerdem, integrative Diagnostik zu leisten. Durch die Einbindung von diagnostischen Informationen anderer Disziplinen wie der Pathologie oder Radiologie können die Labordaten sowie klinischen Befunde in einen größeren Gesamtkontext gesetzt werden und die gewonnenen Erkenntnisse noch zielführender zur Patientenversorgung beitragen.
Konkretes Beispiel: Frau Müllers Zufallsbefund
Frau Müller kommt in die Hausarztpraxis von Herrn Dr. Werner zum Routine-Untersuchungstermin. Zur Kontrolle der Leberfunktion wird unter anderem eine Serumelektrophorese durchgeführt.
Einen Tag später kommt das Ergebnis: die Serumelektrophorese zeigt einen M-Gradienten. Die Immunfixations-Elektrophorese konkretisiert, dass das monoklonale Paraprotein vom Typ IgG ist. Der M-Protein-Serumspiegel beträgt 13g/dl; die medicalvalues-Analyse, validiert durch den Laborarzt, zeigt den Verdacht auf monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) vom Typ IgG als wahrscheinlichste Differenzialdiagnose an. Die Patientin ist asymptomatisch, die CRAB-Kriterien werden nicht erfüllt.
Dr. Werner fragt sich nun: muss diesem Verdacht weiter nachgegangen werden und die MGUS abgeklärt werden, durch eine Knochenmarkspunktion und CT-Bildgebung? Er ruft die Chatfunktion in der Order-Entry-Software auf und wählt unter den vorliegenden Laborparametern den M-Protein-Serumspiegel zur Nachfrage an. Im Chatfenster formuliert er seine Frage kurz – das Schreiben dauert 30 Sekunden, der Arzt schickt ab und wendet sich dem nächsten Patienten zu.
Eine Stunde später blinkt die Chatleiste des Arztes auf. Zwischen zwei Patiententerminen klickt Dr. Werner den Chat an. Die Laborärztin Dr. Schönfeld hat entsprechend der aktuellen Leitlinie zurückgemeldet, dass aufgrund des geringen Serum-M-Proteins (<15g / l), weder eine Knochenmarkpunktion noch ein CT notwendig sind, da sehr unwahrscheinlich ist, dass diese positive Befunde erbringen würde. Somit würde sich die Diagnose „MGUS“ sehr wahrscheinlich sowieso nicht ändern.
Dr. Werner ist zufrieden. Bei der Ergebnisbesprechung nächste Woche wird er Frau Müller Entwarnung geben können und spart seiner Patientin die aufwendige Überweisung an niedergelassenen Onkologen und Radiologen, mit unnötigen Nachfolgeuntersuchungen.
Beispielhafter Kommunikationsprozess zwischen Absender und Laborarzt am Beispiel der monoklonalen Gammopathie unklarer Bedeutung (MGUS).
Fazit
Die Laboratoriumsmedizin ist ein Grundpfeiler der medizinischen Diagnostik. Für eine harmonische Zusammenarbeit ist eine effiziente und niedrigschwellige Kommunikation zwischen den anfordernden Ärzten und den Labormedizinern notwendig. Bestehende Kommunikationshürden können durch die Medicalvalues-Software gesenkt werden, der Austausch erleichtert werden und durch die sinnvolle Einbindung von künstlicher Intelligenz menschliche Personalkapazitäten geschont werden.
Literaturverzeichnis:
[1]: Forsman RW (1996): Why is the laboratory an afterthought for managed care organizations? Clin Chem 42 , 813–816
[2]: https://www.jungelabormedizin.de/daten-und-fakten-labormedizin/
[3]: https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Das-bietet-die-Technik-298218.html
[4]: https://www.datenschutz.bremen.de/
[5]: https://www.jungelabormedizin.de/was-macht-ein-labormediziner/
[6]: St Peter RF, Reed MC, Kemper P, Blumenthal D. Changes in the scope of care provided by primary care physicians. N Engl J Med. 1999 Dec 23;341(26):1980-5. DOI: 10.1056/NEJM199912233412606. PMID: 10607816.
[7]: Misbah SA, Kokkinou V, Jeffery K, et al. The role of the physician in laboratory medicine: a European perspective, Journal of Clinical Pathology 2013;66:432-437.
[8]: Julie R. Taylor, MS, Ph.D., Pamela J. Thompson, MS, MT(ASCP), Jonathan R. Genzen, MD, Ph.D., John Hickner, MD, MSc, Marisa B. Marques, MD, Opportunities to Enhance Laboratory Professionals’ Role On the Diagnostic Team, Laboratory Medicine, Volume 48, Issue 1, February 2017, Pages 97–103,