Gesundheit in Ihren Händen: Das Direct-to-Consumer-Labormodell

Der Trend ist eindeutig: Immer mehr Menschen möchten ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen – digital, direkt und unkompliziert. Mit zunehmender Nachfrage nach Endkundennaher Labordiagnostik verändert sich die Rolle traditioneller Labore. Anstatt ausschließlich über Ärzt:innen oder Kliniken zu agieren und Laborleistungen anzubieten, sprechen Labore zunehmend direkt Endkunden an – online, über Heimtest-Kits oder durch Walk-in-Standorte.

Der Wandel hin zu Direct-to-Consumer-Labortests

Aufgrund der umfassenden Versicherungsleistungen im deutschen Gesundheitssystem war der sekundäre Gesundheitsmarkt (auch “Privat-” oder “Selbstzahlermarkt”) und damit das Direct-to-Consumer (D2C)-Laborgeschäft oftmals neben vereinzelten individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) wenig relevant. Getrieben durch strukturelle, gesellschaftliche und technologische Entwicklungen verschiebt sich das Interesse von Versicherten von der reaktiven Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen hin zu einer aktiven, datenbasierten Selbststeuerung der Gesundheit. Der sekundäre Gesundheitsmarkt wächst, weil Versicherte mehr Eigenkontrolle, Bequemlichkeit und Transparenz wollen – und weil Technologie und Regulierung diesen Trend inzwischen legitimieren und operationalisieren. Damit wächst auch das Interesse am D2C-Laborgeschäft. Doch was bedeutet das konkret für die deutsche Laborlandschaft? Und welche Chancen, Herausforderungen und regulatorischen Aspekte sind damit verbunden?

Neue Umsatzströme und stärkere Kundenbeziehungen

D2C-Modelle eröffnen Laboren zentrale Chancen zur Positionierung, Differenzierung und Erlössteigerung: Durch eine Portfolioerweiterung können zusätzliche Einnahmequellen erreicht werden – von Privatpersonen, die für Präventions- und Lifestyle-Tests bezahlen (Selbstzahlerleistungen), bis hin zu Unternehmen, die Gesundheitsscreenings für Mitarbeitende anbieten. Gleichzeitig gewinnen Labore an Markensichtbarkeit, wodurch sie Vertrauen und Patientenbindung direkt aufbauen und auch klassische Einsendergruppen (Leistungserbringer:innen) ansprechen können.

Ein wesentlicher Vorteil liegt zudem in der Zugänglichkeit. Indem Labore Testergebnisse klar und verständlich präsentieren, befähigen sie Verbraucher:innen, ihre Gesundheitsdaten zu verstehen.

Geschäftsmodelle und Vertriebskanäle entdecken

Der D2C-Labormarkt folgt keinem Einheitsansatz. Mehrere Modelle existieren nebeneinander, jedes mit spezifischen Vorteilen und Herausforderungen für die Labore. Aktuelle Beispiele umfassen:

  • Heimtests: Kund:innen können Tests (z.B. Trockenblutkarten) selbst zuhause durchführen und die Proben per Post an das Labor senden. Dies ist insbesondere für Präventions- und Lifestyle-Analysen attraktiv. Für Labore ist dieses Modell skalierbar und bequem, gleichzeitig kann die Präanalytische Qualität nicht immer gewährleistet werden.

  • Walk-in-Standorte oder Satellitenstationen: Selbstzahler:innen können sich in Laboren oder auch Partnerstandorten (z.B. in Apotheken) Proben abnehmen lassen und erhalten ihr Ergebnis zumeist noch am selben Tag. Dies ist ähnlich wie bei den Heimtests vor allem für allgemeine Gesundheitschecks oder auch HIV-Tests eine gute Möglichkeit. Oftmals bieten Labore Zusatzangebote wie ärztliche Beratungen oder anonyme Analysen. Jedoch ist dieser Service für Labore ressourcenintensiv.

  • B2B2C-Partnerschaften: Die Zusammenarbeit mit bestehenden Gesundheitsdienstleistern oder betrieblichen Wellnessprogrammen ermöglicht schnellen Marktzugang. Zum Beispiel können Informationsmaterialien in Wartezimmern oder Unternehmen ausgelegt und gemeinsame Testaktionen angeboten werden, um Endkund:innen über bestehende Strukturen zu erreichen. Dies erfordert jedoch Margenaufteilung und Koordination.

  • White-Label- oder Co-Branding-Lösungen: Ermöglichen kleineren Laboren einen schnellen Markteintritt mit gemeinsamer Infrastruktur und Marketingreichweite.

Jedes Modell erfordert ein Gleichgewicht zwischen Skalierbarkeit, Qualitätssicherung und Patientenerfahrung.

Laborbefunde verstehen und kommunizieren

Eine Grundlage erfolgreicher D2C-Diagnostik ist die patientenfreundliche Befunddarstellung. Testergebnisse sollten in verständlicher Sprache mit klaren visuellen Hilfsmitteln wie Verlaufsdiagrammen präsentiert werden.

Auch kontextuelle Informationen sind entscheidend. Referenzbereiche, biologischer Hintergrund und Einschränkungen helfen Nutzer:innen, ihre Ergebnisse korrekt zu interpretieren. Klare Hinweise zu „Wann sollte ich einen Arzt aufsuchen?“ oder Links zu Telekonsultationen können die Lücke zwischen digitaler Diagnostik und klinischer Versorgung schließen.

Chancen und Risiken erkennen und begegnen

Trotz des erheblichen Marktpotenzials müssen Labore auch die Risiken berücksichtigen:

  • Hohe Marketingkosten und Wettbewerb: Bezahlte Medien, Influencer-Kooperationen und Vergleichsportale treiben die Kundenakquisitionskosten (CAC) in die Höhe.

  • Operative Komplexität: Die Verwaltung von Logistik, Kundenbetreuung und Nachverfolgung bei Heimtest-Kits erfordert dedizierte Ressourcen.

  • Channel-Konflikte: D2C-Tests können Ärzt:innen (und damit die eigenen Einsender als B2B-Kunden) mit unbezahlter Folgearbeit belasten, wenn Patient:innen medizinische Beratung zu ihren selbst bestellten Ergebnissen suchen.

  • Rechtliche und Reputationsrisiken: Fehlinterpretierte Ergebnisse oder Überdiagnostik können das Vertrauen untergraben, wenn sie nicht sorgfältig gehandhabt werden.

Gegenmaßnahmen umfassen Umsatzbeteiligungen mit medizinischen Partnern, klare Eskalationswege bei auffälligen Befunden und konsequentes Erwartungsmanagement.

Ausblick: Kooperation als Schlüssel zur Innovation

Der Direct-to-Consumer-Labormarkt entwickelt sich noch, aber die Richtung ist klar. Durch die Kombination von medizinischer Expertise, digitalen Tools und starker Governance können Labore näher an Patient:innen heranrücken als je zuvor, ohne Kompromisse bei Qualität oder Ethik einzugehen.

Das Labor der Zukunft wird durch kollaborative Innovation definiert: ein Modell, bei dem Diagnostik nicht nur medizinisch präzise, sondern auch patientenzentriert, verständlich und für alle zugänglich ist.

Call-to-Action

Wenn Sie Ihr Labor für den wachsenden D2C-Markt stärken möchten, unterstützt medicalvalues Sie mit der passenden Technologie und Erfahrung – von der Strategie bis zur Umsetzung.

Andere Themen