Im Kontext der Nachhaltigkeit wird häufig das Konzept der 5Rs erwähnt: Reuse (Wiederverwendung), Refuse (Ablehnung), Reduce (Reduktion), Rethink (Umdenken) und Recycle (Verwertung) [1]. Im Bereich der Medizin, insbesondere der Diagnostik, gestaltet sich eine vollständige Umsetzung dieser Prinzipien jedoch äußerst schwierig. Eine anschauliche Konkretisierung des Problems ergibt sich, wenn man den Umgang mit der pandemischen Lage um COVID-19 in den vergangenen Jahren betrachtet. Das Testen auf das Virus wurde zeitweise regelmäßig mehrmals in der Woche in Schulen, Kindergärten, Betrieben und anderen Einrichtungen durchgeführt, um das Virus einzudämmen und uns zu schützen. Diese Maßnahme war unerlässlich. Allerdings wurde dadurch zwangsläufig eine enorme Menge an zusätzlichem Müll produziert. Vergleicht man dies jedoch mit den Auswirkungen, die eine noch schnellere Verbreitung des Virus mit noch schwerwiegenderen gesundheitlichen Folgen als Konsequenz gehabt hätte, so erscheint dies als das geringere und vor allem weniger akute Übel.
Die klassischen Ansätze sind nicht anwendbar? Hier ist Umdenken gefragt!
Im Gegensatz zu anderen Lebensbereichen stellt das Einsparen an Materialien oder deren Wiederverwendung in diesem Fall keine Möglichkeit dar. Dies liegt an den strengen Qualitätsvorgaben, die zwar gerechtfertigt sind, jedoch bestimmte Ansätze wie die Wiederverwendung oder Ablehnung von Produkten (rein unter Nachhaltigkeits-Aspekten) derzeit nur schwer umsetzbar machen. Zudem ist eine effiziente Wiederverwertung erschwert, denn oft geht diese mit einer (signifikanten) Verschlechterung der Materialien (sog. DownCycle) einher, welche mit den hohen regulatorischen (Qualitäts-)Kriterien nicht zu vereinbaren ist. Stattdessen ist es wichtig andere Optionen zu betrachten. Um die Nachhaltigkeit der Arbeit in medizinischen Laboren zu verbessern, ohne dabei die Qualität zu beeinträchtigen, gibt es verschiedene Ansätze:
Gerätemanagement zur Senkung des Energieverbrauchs: In Laboren wird oft eine beträchtliche Menge an Energie für den Betrieb der (Groß-)Geräte und Instrumente benötigt. Im technischen Bereich ist der Fokus nicht nur auf der Verbesserung von Funktionalität, auch höhere Effizienz wird gerade zu Zeiten der Energiekrise mehr und mehr gefordert. Achtet man bei der Beschaffung von Neugeräten wie z.B. Gefrierschränken nicht alleine auf den Preis sondern auch auf den Energieverbrauch kann ein vermeintlich teureres Modell bei den gestiegenen Energiepreisen insgesamt niedrigere Lebenszykluskosten haben und somit nicht nur unter Umweltaspekten vorteilhaft sein. Zudem kann man durch Feinjustierung der Geräte (z.B. Anhebung der Temperatur des Gefriergerätes um wenige Grad) und die optimale Auslastung erhebliche Einsparungen erreicht werden. Beispielsweise kann dank des Einsatzes von Bewegungssensoren das Gerät bei Inaktivität automatisch abgeschaltet oder in den Energiesparmodus versetzt werden.
Nachhaltige Software: Nicht nur durch den Einsatz von modernerer Hardware kann die Nachhaltigkeit verbessert werden, auch die eingesetzte Software trägt dazu bei. Oftmals sind monolithische, historisch gewachsene Systeme und Insellösungen mit teils überlappenden Services im Einsatz, die unter Nachhaltigkeitsaspekten nicht allzu gut abschneiden. Insbesondere im Sinne der digitalen Transformation aber auch unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten ist auf die Entwicklung und den Einsatz nachhaltiger Software zu achten. Dies inkludiert u.a. Kriterien wie die Nutzung offener Schnittstellen (z.B. FHIR) und Standards (z.B. LOINC, SNOMED CT), Modularität, eine dezentrale Architektur sowie die Entkopplung von Software und Hardware [2]. Auch eine effizientere Nutzung der generierten Daten (z.B. mithilfe von Machine Learning) können im nachgelagerten Prozess einen Nachhaltigkeits-Mehrwert bieten.
Bewusste Materialienbeschaffung und -nutzung: Grundsätzlich sollte – wo möglich – ein stärkerer Fokus auf die Nachhaltigkeit bei der Produktion von Labormaterialien sowie auf besser recyclebare Werkstoffe gelegt werden. Zur Vermeidung von Plastikmüll ist es beispielsweise denkbar, dass derzeitige Einweglösungen durch Alternativen z.B. aus Glas ersetzt werden, die anschließend bei nicht-kritischen Einsatzmöglichkeiten wiederverwendet oder ggf. sogar autoklaviert werden können. Einige Anbieter bieten darüber hinaus Recyclingprogramme für ihre Laborprodukte an.
Zudem kann durch eine Optimierung der Laborprozesse die Menge an benötigten Chemikalien und anderen Utensilien reduziert werden. Eine bestmögliche Systemauslastung, beispielsweise durch das genaue Einhalten einer optimalen Füllhöhe in Geräten, trägt dazu bei, diese Ziele zu erreichen.Zielgerichtetes Testen: Nicht nur im Labor selbst können Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Diagnostikprozess greifen und Ineffizienzen vermieden werden, auch die Auswahl und Anforderung von Testungen haben einen großen Einfluss auf den Einsatz der vorhandenen Ressourcen. Immer mehr Diagnostikmöglichkeiten erlauben eine frühe und präzise Diagnosestellung sowie zielgerichtete Behandlung. In der Konsequenz kann der Bedarf an zumeist komplexeren und ressourcenintensiveren Eingriffen und aufwändige Folgebehandlungen reduziert werden. Ein effizienter Einsatz der vorhandenen Testmöglichkeiten ermöglicht dementsprechend enorme Einsparungen. Hierbei können entsprechende Diagnose- und Laborpfade sowie Entscheidungsunterstützungssysteme bei einer effektiven Stufendiagnostik entlasten.
Insgesamt gibt es viele Möglichkeiten, die Arbeit im Labor umweltfreundlicher zu gestalten. Durch deren Umsetzung kann die Diagnostik zu einem deutlich nachhaltigeren Teil des Gesundheitswesens werden. Technische und materielle Entwicklungen ermöglichen es, dass dies nicht auf Kosten der Bevölkerung geschieht, sondern sogar zu deren Vorteil. Damit könnte man eine frühere Behandlung der Patient:innen mit besserer und schnellere Genesung erzielen. Nicht nur für das Gesundheitswesen wäre das von Vorteil, auch für die Patient:innen selbst. Die vollständige Umstellung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, jedoch wird in Zukunft in dieser Hinsicht einiges geschehen.
Wir setzen nachhaltig an, für eine bessere Zukunft
medicalvalues bietet schon heute eine Lösung für nachhaltigere Gestaltung der Diagnostik und greift insbesondere den Aspekt des zielgerichteteren Testens auf. Das Einbeziehen von Patientendaten, abseits von Alter und Geschlecht, für potentielle Diagnosen ermöglicht eine konkretere Risikoeinschätzung. Dies macht insbesondere symptombasierte Testanforderungen bei unspezifischen Verdachtsdiagnosen möglich. Auf diesen Grundlagen werden für alle Patient:innen individuell die wahrscheinlichsten Krankheitsbilder bestimmt und die zur Diagnose notwendigen Tests identifiziert. Damit steigt die Effizienz bezüglich Zeit, Material und Ressourcen. Doch das ist nicht alles. In der Praxis kommt es häufig zu nicht indizierten Doppeltestungen. Bereits vorliegende historische Werte werden nicht mit einbezogen oder fälschlicher Weise als Parameter mit rascher Veränderung betrachtet. Durch die Software von medicalvalues kann diesen Doppeltestungen vorgebeugt werden. Empfohlene Testintervalle, sowie historische Werte, werden automatisch für jede Entscheidungsfindung berücksichtigt. Überflüssige Dopplungen und der damit verbundene Material- und Ressourcenverbrauch werden so vermieden – Stattdessen werden für den jeweiligen Fall zielgerichtetere Tests vorgeschlagen. Durch Digitalisierung und den Einsatz von künstlicher Intelligenz gehen wir einen Schritt voraus und machen Diagnostik nicht nur effektiver, sondern auch nachhaltiger und gleichzeitig fortschrittlicher.
Literaturverzeichnis: